8.10.2018
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> Geistiges Eigentum

Unionsmarken und Gemeinschaftsgeschmacksmuster im Licht des Brexit

Die Marke der Europäischen Union („Unionsmarke“) ist ein System, das den Anmeldern ermöglicht, mit einer Eintragung der Marke alle Mitgliedstaaten der EU zu umfassen und so braucht diese Marke nicht in jeder einzelnen Staat eingetragen werden, was wesentlich die mit einer solchen Eintragung verbundenen Kosten reduzieren kann. Das gilt wenn es keine Dritten gibt, die aufgrund ihrer bestehenden Rechte gegen solche Marke Widerspruch einlegen, wenn das Leben auf einmal ziemlich kompliziert werden kann, vor allem wenn der Anmelder seine Unionsmarke auf den Markt gebracht hat, ohne darauf zu warten, dass die Anmeldung in Eintragung transformiert wird. Ein ähnliches System als die Unionsmarke ist auch das System des Gemeinschaftsgeschmacksmusters, das den Anmeldern die Eintragung des Geschmacksmusters in allen Mitgliedstaaten der EU ermöglicht.

Beide Systeme sind bei den Anmeldern aus EU und aus anderen Ländern sehr beliebt, vor allem in den Vereinigten Staaten und in China. Die Daten über die Nummer der Eintragungen der Unionsmarken in der Zeit von 2010 bis 2017 zeigen, dass in dieser Zeit 956.000 neue Anmeldungen der Unionsmarken eingereicht wurden, während der Vergleich zwischen den Jahren 2010 und 2017 ein 49% Wachstum zeigt. Am 1. 1. 2018 waren mehr als 1,2 Millionen Unionsmarken in Kraft. Die Nummern in Bezug auf Gemeinschaftsgeschmacksmuster sind ähnlich; in dieser Zeit wurden 203.000 Anmeldungen für 770.000 individuelle Geschmacksmuster eingereicht und der Vergleich zwischen den Jahren 2010 und 2017 zeigt ein 33,8% Wachstum. Am 1. 1. 2018 waren mehr als 730.000 Gemeinschaftsgeschmacksmuster eingetragen (Quelle: https://euipo.europa.eu, EUIPO Trade Mark Focus 2010 to 2017 Evolution in EUIPO Design Focus 2010 to 2017 Evolution).

Ein der Mitgliedstaaten, wo Unionsmarke und Gemeinschaftsgeschmacksmuster gültig sind, ist (derzeit noch) das Vereinigte Königreich. Bald nach der Veröffentlichung der Resultate des Referendums im Vereinigten Königreich begannen Spekulationen darüber, was mit diesen Rechten geschehen wird, wenn das Vereinigte Königreich aus dem EU austritt, genauer gesagt, ob die Inhaber der Unionsmarken und Gemeinschaftsgeschmacksmuster ihre Rechte verlieren werden oder irgendwie dafür gesorgt wird, dass der Schutz auch nach dem Austritt des Vereinigten Königreichs aus dem EU fortsetzen wird.

Wie allseits bekannt ist, verhandeln die EU und das Vereinigte Königreich zurzeit über das Austrittsabkommen. Im Entwurf des Abkommens, der am 19. März 2018 veröffentlicht wurde, ist eine Regulierung im Bereich des geistigen Eigentums vorgesehen, die einige Klarheit darüber bringt, wie Unionsmarken und Gemeinschaftsgeschmacksmuster nach Brexit behandelt werden sollen und was in der Übergangszeit, das am 31. Dezember 2020 ablaufen soll, geschehen wird.
Der Entwurf des Abkommen sieht vor, dass die Inhaber der Unionsmarken bzw.

Gemeinschaftsgeschmacksmuster, denen die Rechte bis zum Ende der Übergangszeit gewährt werden, diese Rechte im Vereinigten Königreich nicht erneut eintragen werden müssen, was für die Inhaber dieser Rechte von wesentlicher Bedeutung ist. Diese Rechte werden automatisch entweder Handelsmarken des Vereinigten Königreichs oder Geschmacksmuster des Vereinigten Königreichs werden, die Rechte werden, so zu sagen, „geklont“, wobei der Tag der Anmeldung der Unionsmarke bzw. des Gemeinschaftsgeschmacksmusters als der Anmeldetag gelten wird, oder wo ein Prioritätsrecht ausgeübt wurde, der Tag dessen. Es sollte auch die Kontinuität der international eingetragenen Marken und Geschmacksmuster gewährleistet werden, wobei EU als das Schutzgebiet bestimmt ist, obwohl das Mechanismus hier immer noch unklar ist. Es scheint also, dass wenn das Abkommen abgeschlossen wird, die Inhaber dieser Rechte nicht darüber sorgen müssen, was mit ihnen nach Brexit geschehen wird und noch weniger jetzt Hals über Kopf eilen, z.B. mit der Einreichung der Markenmeldungen im Vereinigten Königreich, und zwar solcher Marken, die sie jetzt als Unionsmarken eingetragen haben, um sich vor den Konsequenzen des Brexit und einem eventuellen Verlust dieser Rechte zu schützen.

Im Entwurf des Abkommens wird weiter vorgesehen, dass die Inhaber der Unionsmarken und Gemeinschaftsgeschmacksmuster für die Gültigkeit dieser Rechte keine Gebühren im Vereinigten Königreich bezahlen und auch keine Anträge einreichen werden müssen – die zuständige Behörde wird selbst die Rechte in den Registern des Amts für geistiges Eigentum des Vereinigten Königreichs (EUIPO) finden und es wird von den Inhabern der Rechte auch nicht verlangt, eine Korrespondenzadresse im Vereinigten Königreich zu haben (einfacher ausgedrückt bedeutet dies, dass sie für das „Klonen“ der Rechte keinen Vertreter für Marken und Geschmacksmuster vor dem Amt für geistiges Eigentum des Vereinigten Königreichs finden werden müssen). Der Text des Entwurfs des Abkommens wurde in diesem Teil noch nicht in Einklang gebracht, die Regierung des Vereinigten Königreichs hat aber bereits angekündigt, dass sie den Inhabern der Rechte für den Übergangsprozess nichts berechnen wird.

Für die Unionsmarken bzw. Gemeinschaftsgeschmacksmuster, die bis zum Ablauf der Übergangszeit noch nicht eingetragen werden, ist jedoch eine abweichende Regulierung vorgesehen. Deren Anmelder werden nach dem Ablauf der Übergangszeit 9 Monate Zeit haben, dass sie beim dem Amt für geistiges Eigentum des Vereinigten Königreichs einen Antrag auf Eintragung stellen, wobei der Tag der Anmeldung bzw. des Prioritätsrechts dasselbe bleiben wird, als diesen Anmeldungen von EUIPO zugestellt wurde. Hier ist also eine zusätzliche Aktivität der Anmelder vorgesehen und die Frist ist, wenn das Abkommen mit solchem Inhalt abgeschlossen wird, nicht zu verpassen, da der Tag der Anmeldung bzw. des Prioritätsrechts von wesentlicher Bedeutung ist.

Der Entwurf des Abkommens betrifft auch das so genannte nicht eingetragene Gemeinschaftsgeschmacksmuster, für das es vorgesehen ist, dass sein Inhaber ipso iure der Inhaber eines durchsetzbaren Rechts im Vereinigten Königreich wird und ihm das gleiche Schutzniveau, als er nach Verordnung (EG) Nr. 6/2002 des Rates über das Gemeinschaftsgeschmacksmuster hat, gewährleistet wird und auch die gleiche (noch verbleibende) Schutzdauer, wie im Artikel 11(1) der Verordnung vorgesehen wird, d.h. der verbleibende Zeitraum, beginnend mit dem Tag, an dem es der Öffentlichkeit innerhalb der EU erstmals zugänglich gemacht wurde (sonst dauert der Zeitraum drei Jahre seit diesem Tag).

Im Entwurf des Abkommens wird auch die Frage der Benutzung der Unionsmarke gelöst. Diese wird nach Verordnung (EU) 2017/1001 des Europäischen Parlaments und des Rates über die Unionsmarke innerhalb von fünf Jahren verlangt, sonst kann die Marke für verfallen erklärt werden. Der Entwurf des Abkommens sieht vor, dass die Marke nicht wegen Nichtbenutzung als verfallen erklärt wird, wenn diese bis um Ablauf der Übergangszeit im Bereich des Vereinigten Königreichs nicht eingesetzt wurde. Die Inhaber bekannter Marken können auch erleichtert aufatmen, da das auf EU-Ebene bis zum Ablauf der Übergangszeit erworbene Ansehen auch bei der „geklonten“ Marke und weiter nach dem Ablauf der Übergangszeit im Vereinigten Königreich berücksichtigt wird.

Also, die Vereinbarung, die die Fragen im Grundsatz löst, wird, wenn sie mit solchem Inhalt abgeschlossen wird, für die Kontinuität der Rechte, die einen einheitlichen Schutz in der EU genießen, sorgen. Die Details sind jedoch noch nicht bekannt, z.B. wie hoch, wenn überhaupt, sich die damit verbundenen Kosten belaufen werden und wie die administrative Verfahren, aufgrund deren die Rechte „geklont“ werden, bestimmt werden. Ebenso ist es auch unklar, was mit den Unionsmarken geschehen wird, bezüglich denen die Verfahren vor EUIPO wegen des eingereichten Widerspruchs immer noch laufen werden und in denen der Gegner die Benutzung seiner Marke, auf deren der Widerspruch beruht, beweisen muss.

Und wenn kein Abkommen abgeschlossen wird? Es geht aus den Hinweisen der Regierung des Vereinigten Königreichs hervor, dass für gewährte Unionsmarken und Gemeinschaftsgeschmacksmuster äquivalente Rechte im Vereinigten Königreich gewährt werden, die mit dem Austritt des Vereinigten Königreichs aus der EU in Kraft treten werden. Äquivalente Rechte werden mit minimalem Verwaltungsaufwand gewährt, wobei ihre Inhaber sich auch entscheiden werden können, diese Rechte nicht zu erwerben. Für die Anmeldungen zur Erwerbung dieser Rechte ist es vorgesehen, dass die Anmelder ihre Anmeldung im Vereinigten Königreich innerhalb von neun Monaten nach dem Austritt aus der EU erneut einreichen werden müssen, nach den Regeln des Verfahrens zur Eintragung dieser Rechte und bei der Zahlung der Gebühren, aber mit der Anerkennung des Anmeldetags in der EU. Für nicht eingetragene Gemeinschaftsgeschmacksmuster wird Kontinuität mit der Kreation eines vollkommen neuen Rechts in der Gesetzgebung des Vereinigten Königreichs gewährt, mit denselben Charakteristiken wie die des nicht eingetragenen Gemeinschaftsgeschmacksmusters.

Es scheint, dass das Schicksal der Unionsmarken und Gemeinschaftsgeschmacksmuster beim Austritt des Vereinigten Königreichs aus dem EU nicht vollkommen ungewiss ist und ihre Kontinuität im Vereinigten Königreich auf die eine oder andere Weise gewährleistet wird. Wir raten den Unternehmen, für die das Vereinigte Königreich einen wesentlichen oder wichtigen Markt darstellt, dass sie die Entwicklungen verfolgen und vielleicht die Einreichung des Antrags auf Eintragung der Unionsmarke oder die Eintragung des Gemeinschaftsgeschmacksmusters nun in Erwägung ziehen, da es ziemlich wahrscheinlich ist, dass diese bis zum Ablauf der Übergangszeit bereits erteilt werden, all dies aber natürlich unter Berücksichtigung der Geschäftsstrategie des Unternehmens, der finanziellen Leistungsfähigkeit und einer angemessenen Vorsicht.