7.2.2019
KONK
> Wettbewerbsrecht

Laufen vor dem Startschuss – ungünstig auch wenn das Unternehmen bei einem Eigentümerwechsel machen

Die Zuschauer von Leichtathletik-Wettkämpfe wissen, dass ein Athlet, der bereits die endgültige Startposition eingenommen hat, erst dann in Bewegung treten darf, wenn der Startschuss abgefeuert wird. Im Falle eines dauerhaften Kontrollwechsels über Unternehmen (d.h. des Erwerbs der Aktienmehrheit) wird eine ähnliche Funktion, wie der Startschuss bei einem Leichtathletik-Wettkampf hat, durch die Genehmigung der Wettbewerbsbehörde ausgeübt, die den Zusammenschluss zulässt, nachdem sie sichergestellt hat, dass er den wirksamen Wettbewerb auf dem Markt nicht erheblich behindern wird. Dies gilt für Unternehmenszusammenschlüsse, bei denen die fusionierenden Unternehmen die Schwellenwerte für Jahreseinkommen und/oder Marktanteile überschreiten und nach den Vorschriften verpflichtet sind, die Wettbewerbsbehörde zu informieren. In Slowenien muss das erworbene Unternehmen zusammen mit den Unternehmen in der Gruppe Jahresumsatz in Slowenien über 1 Mio. EUR erzielen, während der Gesamtjahresumsatz des erworbenen Unternehmers und des Käufers (zusammen mit den Unternehmen der Gruppe) in Slowenien 35 Mio. EUR überschreiten muss. (Erst) ab Erlangung der Freigabe kann die Transaktion durchgeführt oder abgeschlossen werden (sog. Closing, z.B. die Übertragung von Aktien erfolgt) und von da an kann der neue Mehrheitseigentümer seine Kontrolle über den erworbenen Unternehmen im Spiel auf dem Markt ausüben. Zuvor gilt grundsätzlich die so genannte Stillhalteverpflichtung oder Aussetzung der Rechte aus dem Zusammenschluss. So kann der neue Eigentümer bis dahin keine Stimmrechte am erworbenen Unternehmen ausüben und z.B. eine neue Geschäftsführung bestellen oder über seinen strategischen Auftritt am Markt entscheiden. Darüber hinaus sind die Unternehmen – das erworbene Unternehmen und die Gesellschaft des neuen Eigentümers - bis zum Abschluss der Transaktion verpflichtet, als eigenständige Unternehmen Geschäftsbetrieb zu führen und dürfen ihre Geschäfte auf dem Markt nicht koordinieren.

Ein Verstoß gegen die beschriebenen (verfahrensrechtlichen) Verpflichtungen im Rahmen von Fusionen und Übernahmen (M&A) ist im Wettbewerbsrecht, offensichtlich nach dem Vorbild der Regeln der Leichtathletik, allgemein als gun jumping bekannt. Die Folgen des so genannten gun jumping können für Unternehmen jedoch viel bitterer sein als in der Leichtathletik. In Slowenien (ähnlich wie in anderen EU-Ländern) können gegen sie Geldbußen bis zu 10 % des Jahresumsatzes der Gruppe verhängt werden, während das Verhalten, das gegen die Stillhalteverpflichtung verstoßen, ebenfalls unwirksam ist.

Es scheint, dass die Zeiten, in denen solche Verstöße von den Wettbewerbsbehörden mild behandelt wurden, vorbei sind, denn in den letzten zwei Jahren hat die Europäische Kommission (sowie einige nationale Wettbewerbsbehörden in der EU) mehrere Vertragsverletzungsverfahren eingeleitet. Im vergangenen April verhängte die Europäische Kommission gegen das niederländische Telekommunikationsunternehmen Altice die bisher höchste Geldbuße für gun jumping – 124,5 Mio. EUR.

Werfen wir also einen Blick auf einige weniger offensichtliche wettbewerbsrechtliche Herausforderungen und Fallen, die im Rahmen von M&A auf die Unternehmen warten.

Wettbewerbsrechtliche Risiken können mit den Prozessen der Integration des erworbenen Unternehmens in die Gruppe des neuen Eigentümers verbunden sein, z.B. sowohl Unterstützungsfunktionen (Rechnungswesen, IT) als auch Hauptaktivitäten. Die Unternehmen wollen die Synergien in der Regel so schnell wie möglich nutzen, jedoch erlaubt das Wettbewerbsrecht bei meldepflichtigen Zusammenschlüssen in der Regel keine Integration vor der Freigabe durch die Wettbewerbsbehörde. Vor dieser Freigabe dürfen die Unternehmen die Integration nur planen, aber nicht umsetzen. Die bloße Planung der Integration erfordert in der Regel den Austausch von wirtschaftlich sensiblen oder strategischen Informationen (z.B. über bestimmte Margen, Kosten, Käufer, beabsichtigtes Verhalten auf dem Markt). Daher müssen auch die Planung der Integration und die erforderliche Offenlegung strategischer Informationen nur im möglichst geringen Umfang unter Berücksichtigung der Vertraulichkeitsvorschriften und, wenn es sich bei den Unternehmen um Wettbewerber handelt, durch ein sogenanntes Clean Team erfolgen (Personen, die nicht an strategischen und täglichen Entscheidungen auf den Märkten, auf denen die Unternehmen konkurrieren, beteiligt sind).

Eine weitere Falle kann die Koordination des Wettbewerbsverhaltens der Unternehmen vor der Durchführung oder dem Abschluss der Transaktion sein. Es ist nicht ungewöhnlich, dass die Geschäftsführung des erworbenen Unternehmens den erworbenen Unternehmen als Teil des neuen Eigentümers bereits vor Abschluss der Transaktion betrachtet und somit die Wettbewerbsaktivitäten gegenüber dem zukünftigen Eigentümer reduziert, z.B. bei einigen Käufern oder einigen Märkten nicht mehr mit ihm konkurriert, das Preisniveau koordinieren will, ihm uneingeschränkten Zugang zu Jahresabschlüssen gewährt, Marketingaktionen koordiniert und ihn über zukünftige Investitionen informiert. All dies kann die Gefahr einer Verletzung des Wettbewerbsrechts darstellen.

Allerdings können auch die Bestimmungen der Vereinbarung über die Übertragung von Aktien/Anteilen, die die Handlungen des erworbenen Unternehmens während des Zeitraums von dem Abschluss der Vereinbarung bis zum Abschluss der Transaktion einschränken, eine Verletzung des Wettbewerbsrechts darstellen. Wenn sie dem erworbenen Unternehmen auferlegen, bis zum Closing wie gewohnt Geschäfte zu führen, in Übereinstimmung mit dem regulären Betrieb der Gesellschaft oder dass das erworbene Unternehmen Handlungen außerhalb des regulären Betriebs nach vorheriger Zustimmung des Käufers durchzuführen hat, und sie notwendig sind, um den Wert der Investition des Käufers in den erworbenen Unternehmen zu erhalten, ist dies grundsätzlich zulässig. Im Fall Altice ist die Europäische Kommission jedoch zu dem Schluss gekommen, dass die Schwelle der Vereinbarungen, für deren Abschluss PT Portugal (das erworbene Unternehmen) die Zustimmung von Altice (der Käufer) einholen musste, so niedrig war, dass sie eine unverhältnismäßig große Anzahl von Handelsverträgen des erworbenen Unternehmens umfasste. Aufgrund dessen meinte die Europäische Kommission, dass Altice in der Lage war, die Kontrolle über den täglichen Betrieb der Zielgesellschaft bereits vor dem Abschluss der Transaktion auszuüben, was aber nicht zulässig war.

Angesichts der Trends in der EU könnte auch die slowenische Wettbewerbsbehörde (AVK) bald den Bereich des gun jumping in den Fokus rücken, insbesondere angesichts der Welle von M&A-Transaktionen in den letzten Jahren in Slowenien und der großen Zahl von Zusammenschlüssenprüfungen vor der AVK. Unternehmen müssen daher beim Kauf von Unternehmensanteilen oder beim Wechsel von Mehrheitseigentümern vorsichtig sein und auf den Startschuss warten – die Genehmigung der AVK zum Zusammenschluss und den Abschluss der Transaktion.